Wer zurzeit auf Norddeutschlands Straßen unterwegs ist und interessiert in den einen oder anderen anliegenden Garten schaut, dessen Blick bleibt nicht selten an ungewohnt beigen Blattmassen hängen.
Für viele Bambuspflanzen, insbesondere der Gattungen Indocalamus, Phyllostachys, Pseudosasa, Sasa und Semiarundinaria, waren Wintersonne und Temperaturen unter minus 20 Grad im Februar einfach zu heftig. Anstatt sich – wie sonst im März/April – an frischem Grün im noch kaum beblätterten Garten zu erfreuen, entdecken Bambusfreunde in diesem Frühjahr ihre Liebe zu Beige als Farbakzent im Garten. Der Trost: Es grünt in den allermeisten Fällen ja wieder durch. Fans des klassischen Gartenbambus der Gattung Fargesia (besonders Fargesia murielae, Fargesia Spez. Jiuzhaigou, Fargesia denudata ‚Lancaster’) hingegen haben weit weniger Grund zur Klage. Zumindest die Arten und Sorten, die ihre Blätter durch Einrollen vor zu großer Verdunstung schützen, sind größtenteils grün durch den Winter gekommen.
Auch in unserem wilden Garten setzt die Farbe Beige in diesen Wochen einen starken Akzent, denn Bambus ist hier eine wichtige Strukturpflanze. Das mit der Struktur klappt mit beigen Blättern ja noch ganz gut. Aber spätestens, wenn sie zu Boden gefallen sind und man nur noch auf Halmskelette blickt, kommen einem schon leise Zweifel, ob die Idee mit dem Riesengras als wichtigem Gartenelement so gut war … Wie kam es überhaupt zu dieser Entscheidung?
Gesucht wurde eine immergrüne Pflanze, die schnell Vertikalen in einen Bereich des Gartens zaubert, in dem kein Baum oder größerer Strauch stand. Auf klassische Koniferenlösungen wollten wir nur sehr dosiert zurückgreifen, da es bereits einen erhaltenswerten Altbestand an Lebensbäumen (Thuja) und Scheinzypressen (Chamaecyparis lawsoniana) gibt. Welches Grün entspricht aber sonst noch diesem Anforderungsprofil? Wir hatten sofort das Bild von Bambus im Kopf. Die Bestände im Botanischen Garten in Hamburg Klein Flottbek oder im Arboretum Ellerhoop-Thiensen machten uns Mut, es mit dem Riesengras auch bei uns im Norden der Lüneburger Heide zu versuchen. Die filigrane und gleichzeitig majestätische Schönheit eines Bambushains oder einer Solitärpflanze ist einmalig und verleiht dem Garten eine ganz besondere Stimmung. Kurz und gut: Eine Leidenschaft war geweckt!
Bei der Auswahl der ersten Pflanzen standen die Aspekte Robustheit und Winterhärte im Mittelpunkt. Fargesia murielae ‚Simba’ und ‚Standing Stone’ sowie Phyllostachys bissetii zogen bei uns ein und entwickelten sich prächtig. So wurden wir schnell mutiger und experimentierten mit sensibleren Arten und Sorten bis hin zu Borinda albocera und Chusquea culeou – wohlweislich in Kübeln. Die vergangenen drei Winter stellten unser Experiment dann auf die Probe. Massive Schutzmaßnahmen (Unmengen an Strohballen, Schilfmatten, Styroporisolierung und Vlies) verhinderten in den Wintern 2009/10 und 2010/11 schmerzhafte Verluste, aber in diesem Jahr reichte auch das nicht aus: Bei allen Phyllostachys – selbst bei den Hartgesottenen wie bissetii und aureosulcata – dominiert die Farbe Beige statt Grün. Bei anderen sind bereits alle Blätter gefallen. Auch der oberirdische Totalschaden von einigen Exemplaren wie Phyllostachys aurea oder Phyllostachys nigra ‚Megurochiku’ ist nicht auszuschließen. Die empfindlichen Topfkandidaten waren mit Petroleumofen im Kalthaus klar im Vorteil.
Nun heißt es in diesem Frühjahr erst einmal Wunden lecken und auf den unbändigen Überlebensdrang der Pflanzen zu setzen. Denn natürlich ist die Bambusleidenschaft auch durch minus 24 Grad nicht abzukühlen. Und wer weiß, ob nicht doch bald wieder eine Serie milder Winter das Entstehen großer Haine begünstigt, deren Halme in den Himmel ragen. Wir werden weiter berichten.
Toller blog, sehr informativ und schöne Fotos….
Die meisten Bambussorten müssten sich ja jetzt gut erholt haben. Und wenn es P. nigra und P. aurea nicht geschafft haben, können sie ja durch Sorten ersetzt werden, die diesen Winter besser überstanden haben. Für irgendetwas muss dieser Winter ja gut sein. Ich experimentiere übrigens auch viel mit Bambus im Norden Hamburgs.
Viele Grüße, Torsten